le­se­pro­ben

wort • 1

wort 1:

 

es gibt be­frei­en­des, ent­waff­nen­des la­chen

ein la­chen im wi­der­stand, das sich selbst schützt

grau­sa­mes, hys­te­ri­sches, hilf- & trost­lo­ses

das fal­sche la­chen der freunde & la­chen

 

ohne hin­ter­ge­dan­ken, wun­der­ba­res la­chen über

das la­chen, das aus dem wei­nen kommt aus

hei­te­rem him­mel, das ab­ge­schirmte la­chen

der al­go­rith­men, die uns len­ken & be­zau­bern­des

 

la­chen, la­chen, das nie­man­den klein macht

das aus­ge­bro­chen ist, von kei­nem dik­ta­tor

ein­ge­fan­gen wer­den kann, durch ein ge­kipp­tes

fens­ter weht, mit­rei­ßen­des la­wi­nen­la­chen

 

dich bie­gen­des, ku­geln­des, sich selbst über

schla­gen­des la­chen & das er­schüt­ternde

ein­zig­ar­tige, das wir nicht ver­ges­sen, ein la­chen

das auf­ge­hört hat & ei­nes, das nie sein wird, gibt es

 

 

(aus „weil es kei­nen grund gibt für grund”, edi­tion kei­per, Graz 2021)

bos­po­rus­t­o­mo­gra­fie

bos­po­rus­t­o­mo­gra­fie: an­gel­schnüre scan­nen

das ge­kreppte meer die schwer­mut hier

ist eine leichte dia­gnose die al­les

in ba­lance hält auf brü­cken­ge­län­dern

sit­zen kor­mo­rane & an­ge­zählte akro­ba­ten

un­ter uns das grund­lose leuch­ten

ver­krus­tete taue das stöh­nen & äch­zen

der an die fäh­ren ge­bun­de­nen kon­ti­nente

 

 

(aus „weil es kei­nen grund gibt für grund”, edi­tion kei­per, Graz 2021)

poe­sie

ho­ri­zont: ein schnitt der land schafft & ent­fer­nung

ein­schmel­zen durch poe­sie zu ei­nem start­punkt

sich ab­tra­gen an ei­nem ab­ge­lau­fe­nen

kon­zert­ti­cket ganz aus dem atem kom­men

als fer­mate ge­hen – aus­zu­hal­ten

 

 

(aus „weil es kei­nen grund gibt für grund”, edi­tion kei­per, Graz 2021)

n. statt • park

n. statt park                                                     

 

en­ten, ihr ruck­ar­ti­ges fort­schwim­men, gelb

schwillt das bäch­lein im park wie wir

se­diert & un­ter den grenz­wert de­fi­niert:

das No-ob­ser­ved-ad­verse-ef­fect-le­vel-hus­ten

 

der spat­zen über­steu­ert & zu schnell

wach­sende gänse haut auf un­se­ren ar­men

die aus­ge­streckt mit kah­len äs­ten

in den him­mel ver­wach­sen, eine lu­pen­reine

bon­sai­pose, schon reißt es uns ge­gen

die zar­ten ja­pan­g­ar­ten­brü­cken­pfei­ler

 

prallt kirsch­blü­ten­weiß die volle un­schuld

: plas­tik tü­ten schwa­nen­hälse, unsre ab

ge­tau­ten glet­scher & heiß ge­lieb­ten eis­bä­ren

ihre ho­lo­gramme win­ken im zoo

 

 

(aus: Versnetze_zwölf, Wei­ler­swist 2019)                               

safety • first

safety first

 

münd­li­che an­hal­tung im trep­pen­haus: be­wah­ren Sie

hal­tung den rü­cken ge­rade las­sen Sie die hand im­mer

am ge­län­der auch im brand fall roll­trep­pen Sie nicht

schon gar nicht ab bmi grö­ßer 30 las­sen Sie alle fin­ger

von träu­men mit­ar­bei­te­rIn­nen & obst schnei­den nicht

bei ter­ror alarm blei­ben Sie sta­tisch & ler­nen Sie aus

wen­dig die fol­gen­den pik­to­gramme: rote flamme als

ge­fahr von to­ten­schä­deln Sie sich nicht selbst tra­gen

Sie keine ge­kreuz­ten kno­chen zum klei­nen schwar­zen

gift­see aus dem tot ein fisch springt ein re­agenz glas

fan­gen Sie nie die trop­fen mit Ih­rer ei­ge­nen haut aus-

rufe-zei­chen-stern oh stern! in Ih­rer brust! hal­ten Sie

den atem an & sich nicht wei­ter auf in auf­zü­gen laut

spre­cher durch sa­gen be­ach­ten ein ra­dio schal­ten die

te­le­fone nicht blo­ckie­ren nie sel­ber ret­ten lau­fen Sie!

im freien q u e r zum wind kin­der fort ins haus zie­hen

Sie alle! vor gänge aus dem ste­cker alle vor­hänge vor

Ih­ren krum­men bu­ckel har­ren Sie un­ter! ta­rif­lich aus

bis un­ser öl arzt kommt viel­leicht gleich – first slaved

first ser­ved gez. Ihre Exxon­Mo­bil­Cor­po­ra­tion®

 

 

(aus: ]trash[pool #8, Tü­bin­gen 2018)

das sich auf­lö­sen

das sich auf­lö­sen

 

                                von trag­flä­chen bis nur schwe­ben

bleibt das pri­ckelnde dia­mond-dust-flir­ren um

die stirn ei­nen mo­ment lang ewig wie phy­lo­ge­nese

oder das sprin­gen der am­pel von rot auf grün

ein neuer strom haut tan­zen­der ge­nom­scha­blo­nen

im ge­gen­licht die um­risse ab­he­ben­der hy­dran­ten

kris­tall­mu­ta­tio­nen ne­ben­son­nen über dem glas

der kan­zel das schlie­ßen der au­gen­blende im meer

aus ha­los & fla­res ihr aus­ge­streck­ter arm die boe­ing

in der hand hoch über dem roll­stuhl flie­gen

 

 

(aus: STILL #5, Berlin/New York 2017)

n. • hom­mage an

n. • hom­mage an

 

meine stolze stadt platzt wie­der

aus al­len wurst­haut­näh­ten, senf­ge­spren­kelt

schla­gen män­tel sich mit plas­tik

tü­ten durch zum glüh­wein­stand

 

in meine stadt füh­ren alle wege. zur zeit. meine stadt

ist nicht rom. meine stadt liegt nicht am meer. lei­der

 

doch in ih­ren buch­ten an­kern

pan­ora­ma­bus­kreu­zer, bei flut

spült es hys­te­ri­sche müt­ter an

der hand hys­te­ri­scher kin­der

auf den weih­nachts­markt, über meine stadt

fe­gen tou­ris­tents­una­mis

 

ky­rie elei­son! doch kein ad­vent er­barmte sich je

 

am ende mei­ner flucht schim­mert

auf den frei­flä­chen mond

hel­ler parks der ein­same rau­reif un­be­rührt

wie wei­ßer sand auf atol­len

 

über den ich wandle, der au­to­bah­nen ewi­ges

rau­schen teile in rau­schen & kna­cken

ge­fro­re­ner hun­de­ka­cke un­ter den ca­mel boots

 

 

(aus: Nürn­ber­ger Nach­rich­ten, 27.11.2015)

body • poetry

body poetry

 

das mond­licht spricht

dein haar ent­lang

 

& wo es auf­hört

er­zäh­len deine schul­tern

 

 

wei­ter

 

 

(aus: licht­still, St. Wolf­gang 2015)

park • das licht

park das licht

 

dort ruhte die schwer­mut der stadt

un­ter ju­das­bäu­men, ihr an­ge­ris­se­ner schat­ten

 

si­ckerte ins gras & was von ihm üb­rig blieb,

san­gen die spat­zen aufs dach des pa­vil­lons

 

ein re­gen aus jas­min wehte ein mäd­chen weg

über den wei­ßen kies­weg ins halb­dunkle

 

ei­ner ze­der, die al­lein stand wie al­ter ge­sang

 

lut­scher­dre­her, luft­bal­lons tru­gen ihre far­ben

den hü­gel hin­auf – hier war das licht

eine reine form von blau, wir hiel­ten stille

 

in un­se­ren hän­den, die um­schlug in wind,

die wärme ver­ros­te­ter schau­keln, schwe­re­los

 

stri­chen schwarz­stör­che über das ge­strüpp,

in dem ein brun­nen un­ter­ging

& lie­ßen ihr dunk­les leuch­ten zu­rück

 

auf den rän­dern stau­bi­ger scha­len

 

 

(aus: Ly­rik der Ge­gen­wart46 Feld­kir­cher Ly­rik­preis 2014, St. Wolf­gang 2014)

blind­see ne­bel • ka­ta­rakte
blind­see ne­bel ka­ta­rakte

 

schie­fer­grau streicht ein flü­gel über das

blei­weiß des berg­sees oder ist es eine klinge

die mir an die kehle fährt im zwie­licht

 

zwi­schen wald­saum & alp­traum rutscht

die kör­nung des ufers löst sich

die kon­tur des zu­letzt ver­läss­li­chen:

 

stein & herz­schlag – ab hier nur bil­der­lo­ses

rau­schen der nie­sel & keine be­weise

dass wir wa­ren was wir nicht mehr sind

 

 

(aus: Blaues Blatt #4, 2013)

van
van

 

der see ist ein flü­gel­lo­ser fal­ter

der schnee frisst aus den zäh­nen

des kau­ka­sus fällt ein fi­scher

in den staub vor is­hak paşa

 

der pa­last der sieb­zehn stürme

und ein esel der nach luft schreit

trägt zwei körbe schau­keln

auf dem ho­ri­zont ge­bun­den

 

schwarz wie ab­ge­brannte ge­bete

in ei­ner zi­ta­delle drehte ein blick

sich um doch nur der falke

kehrt zu­rück nach hoşap

 

___________________________________________

 

van­see             in ost­ana­to­lien

is­hak paşa       burg­ähn­li­cher pa­last; 17./18. jh.

hoşap              ruine ei­ner burg­an­lage; 17. jh.

 

 

 

(aus: Ost­ra­ge­hege – Zeit­schrift für Li­te­ra­tur und Kunst #61, 2011)

kri­tik • der rei­nen un­ver­nunft (auf ei­ner park­bank)
kri­tik der rei­nen un­ver­nunft

(auf ei­ner park­bank)

 

jetzt nimm doch end­lich die zunge

wie­der raus so viel liebe hält doch

kei­ner aus & du mach den mund zu

lass den kant auf & da

schon wie­der brüste die stehn

so gol­den nach sü­den & so voll

kom­men rund der hes­pe­ri­den­hin­tern

mit nem schwarz­string un­term hauch

haut­dün­nem weiß & ner hand drauf

die darf das kann ja nicht wahr sein

da geht ei­nem doch der reine ver­stand

ins auge & das tran­szen­den­tale ich

auf in der hose & nicht mehr un­ter

 

 

 

(aus: Der Zet­tel – das Ge­dicht-Flug­blatt #106, Weß­ling bei Mün­chen 2004)

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